Der Müller-Sabri-Skandal

Müller-Sabri-Skandal

Am 01. Oktober 2015 verlieh Berlins Bürgermeister Michael Müller im Festsaal des Rathauses an zwölf verdiente Bürger*innen den Verdienstorden der deutschen Hauptstadt. Unter diesen zwölf Menschen befand sich auch Mohamad Taha Sabri, der Imam der Neuköllner Dar-as-Salam Moschee, besser bekannt als Neuköllner Begegnungsstätte (NBS).

Der Verdienstorden Berlins gilt als höchste Auszeichnung des Bundeslandes, mit der Personen geehrt werden, die sich in besonderer Weise um die Stadt verdient gemacht haben. Sabri wird in der Begründung als »Prediger gegen Hass, Gewalt und Terrorismus« beschrieben. Vorschlagsberechtigt ist der regierende Bürgermeister von Berlin, Anregungen kommen vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses und den Mitgliedern des Berliner Senats.

Relativ schnell wurden kritische Stimmen zur Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) laut, wobei der Berliner Verfassungsschutz die NBS 2015 noch dem Milieu der islamistischen Muslimbruderschaft zuordnete. Wie konnte der Iman einer solchen Moschee die höchste Auszeichnung eines Bundeslandes bekommen? Bereits 2009 und 2013 trat der saudische Hassprediger Muhammad al-Arifi in der NBS auf. Taha Sabri zeigte sich dabei spürbar erheitert an der Seite des Salafisten.

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Eine kurze Recherche zu al-Arifi verdeutlicht, dass dieser in den sozialen Netzwerken explizit zum Dschihad in Syrien aufrief, wozu entsprechende Videos auch mit deutschen Untertiteln verbreitet wurden:

»Al-Arifi war einer derjenigen, die sehr feurig aufgerufen haben, sich am Dschihad in Syrien zu beteiligen, die dortigen Gruppierungen zu unterstützen. Bis dann im Frühjahr 2012 die saudische Regierung interveniert hatte und al-Arifi und andere Prediger dazu aufgefordert hat, solche Aufrufe zu unterlassen.«

Zudem hetzt Al-Arifi gegen Shiit*innen und fordert die Todesstrafe für Homosexuelle. Jüdinnen*Juden bezeichnet er als »Enkel der Affen und Schweine«. Ein Antisemit und Hassprediger zu Gast in Berlin.

Al-Arifis Predigt soll 2009 von einer hochbrisanten Figur gefilmt worden sein:

»rbb-Recherchen zufolge hat diese Predigt 2009 der mittlerweile zum „Bildungsminister“ des sogenannten „Islamischen Staates“ aufgestiegene Berliner Salafist Reda Seyam als Kameramann gedreht. Bilder zeigen al-Arifi neben dem Imam der NBS, Mohammed Taha Sabri, im Hintergrund Seyam.« rbb, 2017

Schon damals schienen radikale Fundamentalisten wie Seyam kein Aufsehen in der Gemeinde zu erregen, was einiges über das Publikum der NBS aussagt.

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Auch Sabri selber soll ein fragwürdiges Religionsverständnis predigen. So berichtet der rbb weiter:

»Laut rbb-Recherchen hat Imam Sabri überdies am 16. Oktober 2016 im Beisein eines Kamerateams von Al Jazeera eine Predigt in der NBS gehalten, die seinem liberalen Image zu widersprechen scheint: „Jede Erneuerung ist Ketzerei, jede Ketzerei ist eine Irrleitung und jede Irrleitung endet im Höllenfeuer“.«

Stimmt dieser Bericht, offenbart Sabri ein reaktionäres Islamverständnis, das Reform-Kräften ihre Legitimation abspricht und sie der Häresie bezichtigt. Derartige Rhetorik kennt man auch aus islamistischen Kreisen. Im Laufe der rbb-Recherchen wurde Sabri auf den islamistischen Vordenker der Muslimbruderschaft, Yusuf al-Qaradawi, angesprochen, worauf Sabri Folgendes antwortete:

»Er ist ein großer Gelehrter, vom Wissen her. Aber er ist auch umstritten. Was die politische Einstellung betrifft und dass er aus Katar kommt, das ist eine andere Frage.«

Doch wer ist al-Qaradawi? In seinen Predigten und Erörterungen billigt al-Qaradawi Selbstmordattentate im Kampf der Palästinenser*innen gegen Israel als erlaubten Märtyrertod, nennt Adolf Hitler »eine gerechte Strafe Allahs für die Juden« und stimmt die Muslim*innen auf einen neuerlichen Holocaust in der Zukunft ein. Darüber hinaus befürwortet er die Todesstrafe für »Abkehr vom Islam« und außerehelichen Geschlechtsverkehr. Einen Islamisten und Antisemiten wie al-Qaradawi als »großen Gelehrten« zu beschreiben, zeigt wohin die Reise mit Taha Sabri führen kann.

Selbstredend war Sabri einer derer, die sich öffentlich gegen die Absetzung des Muslimbruders Mursi positionierten, der am 3. Juli 2013 nach tagelangen Massenprotesten als ägyptischer Präsident aus dem Amt geputscht wurde. Mursi bezeichnete Zionisten einst als »Blutsauger und Nachkommen von Affen und Schweinen«. Mehrfach war Sabri auf Bildern zu sehen, auf denen er den R4bia-Handgruß zeigte. Das Zeichen wird »de facto als Solidaritätsbekundung für die Muslimbrüder verstanden«, wie Cilja Harders (Leiterin der Arbeitsstelle Politik des Vorderen Orients an der Freien Universität Berlin) betont. Sabri selber gibt heute auf Nachfrage von rbb24 an, dass das »r4bia-Handzeichen nichts mit der Muslimbruderschaft zu tun habe«. Auch hier bleiben viele Fragen offen.

In Berlin scheint man in Regierungskreisen entweder nicht das kleine 1×1 der Recherche zu beherrschen oder man ignoriert ganz bewusst Fakten und Erkenntnisse, um sich wenigstens schöne Pressebilder für das Jahrbuch sichern zu können. Selbst wenn die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS) nicht endgültig dem islamistischen Milieu zugeordnet werden kann, so bleibt sie doch eine Einrichtung, in die sich anhand der genannten Gäste wohl keine liberalen Muslim*innen verirren. Eine derartige Aufwertung reaktionärer Kräfte ist weder links noch sozialdemokratisch, sondern verantwortungslos. Wer naiv oder überfordert ist, sollte Platz machen für Politiker*innen, die auch bei unangenehmen Themen für eine progressive Demokratie einstehen.

Mit antifaschistischen Grüßen

Schmalle

3 Kommentare zu „Der Müller-Sabri-Skandal“

  1. Mal wieder die SPD! Ich dachte bisher, die Linke und Grüne seien die Spitzenreiter in der Fehleinschätzung derartiger Leute.

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